7 Anforderungen an einen leistungsstarken Einkauf

Erfolgsfaktoren für Auftragsfertiger - Teil 9

Bis zu 80% Materialanteil, Kostendruck und die Dynamik der Zuliefermärkte erfordern von EMS-Anbietern einen schlagkräftigen Einkaufsprozess und eine Materialwirtschaft, die diesen neuen Anforderungen gerecht wird. Darum hat bei einem EMS-Anbieter der Oberliga der Einkauf über die typische Materialbestellung hinaus, noch 7 weitere Aufgaben.

Der Innovationsdruck dem die Einkaufbereiche heute ausgesetzt sind, ist mit der technischen Innovation in die SMD-Technik zu vergleichen. Anforderungen, Methoden und Werkzeuge müssen sich ändern. Daher benötigen leistungsstarke Unternehmen heute nicht nur einen Einkauf, sie benötigen eine Materialwirtschaft, die diesen neuen Anforderungen gerecht wird. Welche Leistungsgefüge bei einem Auftragsfertiger der Oberliga benötigt werden, soll nachfolgend dargestellt werden.

Der steigende Materialanteil von bis zu 80% sowie der Kostendruck und die Dynamik, fordert erheblich mehr von den heutigen Einkaufsbereichen ab. Mit dem „klassischen“ Bestellwesen wird das nicht gelingen. Daher müssen über die typischen Einkaufstätigkeiten hinaus folgende Leistungsmerkmale abgedeckt werden:

  • Strategische Marktbearbeitung
  • Strategische Lieferantenauswahl
  • Kontinuierliche Lieferantenentwicklung
  • Materialfeldkompetenz für Beratungstätigkeiten
  • Umfassendes Kostenmanagement
  • Logistikkompetenz und -management
  • EDV/ERP-Gestaltung und Vernetzung

1. Strategische Marktberarbeitung

Hierbei ist nicht zu verstehen, mal schnell Material für einen Auftrag einzukaufen. Hier ist es notwendig sich über Marktzusammenhänge und Marktänderungen ein laufendes Bild zu machen und die Information im täglichen Beschaffungsmanagement einfließen zu lassen.

Wie geht man vor und was muss man in Erfahrung bringen? Einige Beispiele:

  • Welche Lieferanten sind die Key-Player?
  • Welches Leistungsgefüge kann man von wem erwarten?
  • Welche Technologien sind im Wandel?
  • Welche Lieferanten haben eine positive, welche eine negative Entwicklung?
  • Welche Lieferanten können sich untereinander ersetzen?
  • Welche Strategien haben die Lieferanten?
  • Wie sind die Entwicklungen von Preisen und Lieferzeiten?

Wenn Sie diese Profile erarbeitet haben, ist es Ihnen möglich, darauf Ihre strategische Lieferantenauswahl auszurichten.

2. Strategische Lieferantenauswahl

Es werden Lieferanten ausgewählt, weil sie den Erfordernissen ihres Unternehmens am besten gerecht werden. Es sind langfristige Geschäftsbeziehungen, die nicht nur durch das Tagesgeschäft bestimmt werden.

Ich empfehle folgende Vorgehensweise:

  • Ziehen Sie Ihre Schlüsse aus der strategischen Marktbearbeitung.
  • Bauen Sie sich ein Netzwerk an Lieferanten auf, die ihre Materialbedarfe und Leistungsansprüche abbilden können.
  • Stellen Sie sicher, das sie die Lieferanten bei Bedarf ersetzen können.
  • Binden Sie Ihre Lieferanten auch vertraglich an sich.
  • Kommunizieren Sie Ihre erforderlichen Leistungsmerkmale.
  • Sorgen sie dafür, dass Ihre Lieferanten auch an Ihnen Interesse haben.
  • Kommunizieren Sie Ihre strategische Entscheidung auch intern an ihre Entwicklung.

Dieses Vorgehen wird sich in Krisenzeiten bewähren.

3. Kontinuierliche Lieferantenentwicklung

Jede Beziehung muss auch gepflegt und entwickelt werden. Messen Sie kontinuierlich den Leistungsstand Ihrer strategischen Lieferanten und helfen Sie Ihnen das Leistungsprofil zu verbessern. Einige Tipps welche Leistungsmerkmale Sie überwachen sollten:

  • Termingerechte Abgabe der Auftragsbestätigungen
  • Differenz zwischen Wunschtermin und Liefertermin
  • Liefertreue
  • Mengentreue
  • Technische Qualität
  • Preisstärke
  • Einhaltung von Zusagen

Jeder kann auch mal Fehler machen. Man muss über die Erkenntnisse des Tagesgeschäftes aber auch miteinander sprechen. Sie werden spüren, welche Kräfte Sie mit einer qualifizierten Lieferantenbewertung bei den Lieferanten freisetzen, denn auch sie wollen den Erfolg.

4. Materialfeldkompetenz

Eine weitere Säule einer neuen Materialwirtschaft, ist der Aufbau einer umfangreichen Materialkompetenz. Der neue Einkauf ist somit ein kompetenter Ansprechpartner für

  • die Lieferanten
  • für die Entwicklung
  • und für die Kunden

Der Beratungsfaktor in der Lieferanten- und Materialauswahl gewinnt intern und extern an Bedeutung. Das ist ein Leistungsmerkmal, bei dem deutsche Auftragsfertiger (EMS) gegenüber ausländischen Unternehmen gewinnen können. Oder können Sie sich tatsächlich vorstellen, dass diese Beratungsdienstleistungen von chinesischen Auftragsfertigern, bei kleinen und mittleren Volumen kompetent durchgeführt werden?

5. Umfassendes Kostenmanagement

Kostenmanagement, wie es von leistungsstarken Auftragsfertigern der Elektronikbranche heute erbracht werden muss, ist mehr als eine Bestellung zum Kalkulationspreis durchzuführen. Die Bedeutung der Materialwirtschaft ergibt sich aus:

  • Materialanteil zwischen 50 bis 80%
  • Materialgemeinkosten von 10 bis 25%

Welche Kosten gehen in diese Kostenblöcke ein und müssen optimiert werden?

  • Direkte Materialpreise
  • Lieferkosten
  • Zahlungsbedingungen
  • Lagerkosten
  • Finanzierungskosten
  • Verschrottungsaufwände
  • Kosten der Einkaufsorganisation

6. Logistikmanagement

Die Kosten der Einkaufsorganisation gehen erheblich in die Materialgemeinkosten ein. Da er mit den Materialkosten multipliziert wird, ist der Hebel bei zunehmenden Materialanteilen wiederum sehr bedeutsam.

Was kann man zur Reduzierung tun? Ich empfehle:

  • Automatisieren Sie Ihre Bestellprozesse.
  • Binden Sie die Lieferanten elektronisch in Ihre Prozesse ein.
  • Reduzieren Sie wiederkehrende Fehler.
  • Bauen Sie Logistiksysteme wie Konsignationsläger (intern/extern) auf – siehe Teil 7
  • Bestellen Sie auf Vorschau und auf Abruf.
  • Nutzen Sie umfassender Ihre EDV.
  • Reduzieren Sie manuelle Tätigkeiten jeglicher Art.

Wenn ich hier von Tätigkeitsreduzierung spreche, so sollen nicht Arbeitsplätze wegrationalisiert werden – das Gegenteil ist der Fall. Der Mensch soll umfangreicher komplexe Tätigkeiten ausführen (wofür er heute teilweise keine Zeit hat) und die EDV die simple Massendatentätigkeit.

7. EDV/ERP Gestaltung und Vernetzung

Die EDV bzw. in unserem Fall die ERP-Systeme sind oft in ihrer Bedeutung noch nicht ausreichend erkannt worden. Diese Systeme sind auf Grund der Vielzahl an Artikeln, Kunden und Produkten und auf Grund der hohen Dynamik mehr gefordert als zuvor. Das Materialmanagement der Zukunft muss sich dem „Dienstleister EDV“ erheblich stärker zu Nutze machen. Ich empfehle:

  • Versuchen Sie manuelle Prozesse weitestgehend zu automatisieren.
  • Stellen Sie sicher, dass Ereignisse von der EDV eigenständig an die zuständigen Bereiche und Mitarbeiter übertragen werden (Ereignismeldung).
  • Schaffen Sie sich Transparenz in Ihren Geschäftsdaten.
  • Automatisieren Sie Auswertungen und wiederholende Prozesse.
  • Reduzieren Sie die notwendigen manuellen Eingriffe.

Empfehlungen für das ERP-System lesen Sie in Teil 10 dieser Beitragsreihe.

Fazit:
Sie haben sicher erkannt, wie umfassend sich die Anforderungen an das heutige Materialmanagement geändert haben. Es ist fast unmöglich mit dem klassischen Einkauf diesen Anforderungen gerecht zu werden. Wir müssen also dem bisherigen Einkauf Raum und Zeit geben, um sich neu auszurichten. Das ist allerdings nicht nur eine Änderung im Begriff vom Einkauf zu Materialwirtschaft, es sind tiefgreifende Änderungen von Methoden, Werkzeugen, Prozessen und Qualifikation.

Autor: Hubertus Andreae, dreiplus

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