7 Handlungsempfehlungen für Auftragsfertiger in der aktuellen allokationsartigen Beschaffungssituation

Die Beschaffungssituation für elektronische Bauteile  hat sich zugespitzt. Darum hat Hubertus Andreae, Experte für nicht technische Prozesse und Materialwirtschaft, 7 konkrete Empfehlungen zusammengestellt, wie Auftragsfertiger und EMS-Anbieter mit der aktuellen Situation umgehen und die Lage entschärfen können.

1. Beobachten Sie die Wiederbeschaffungszeiten

  • Geben Sie den Wiederbeschaffungszeiten (WBZ) die Bedeutung, die Sie verdienen!
  • Pflegen Sie kontinuierlich die Material WBZ auch wenn Sie sich ständig verändern!

Ziehen Sie ihre Schlüsse daraus, d.h.

  • Erhöhung der Materialbestellausplanung,
  • Bestellausplanung der Kunden erhöhen,
  • Versorgungsabstimmung mit den Distributoren durchführen,
  • Aufbau logistischer Lösungen und Methoden (intern/extern).

2. Terminieren Sie Aufträge realistisch

  • Planen und terminieren Sie die Kunden- und Produktionsaufträge auf Basis realistischer Wiederbeschaffungszeiten! Auch wenn Sie wissen, dass dort noch Unsicherheiten enthalten sind.
  • Die aktuellen Wiederbeschaffungszeiten (sofern sie gepflegt sind) sind ein guter erster Indikator für die Terminierung.
  • Zu große Abweichungen sollten qualifiziert überprüft werden!
  • Auch wenn der Kundendruck hoch ist, lassen Sie sich nicht dazu verleiten, die Aufträge auf Basis unrealistischer Wunschtermine zu terminieren!
  • Eine falsche zu frühzeitige Terminierung hilft nicht ihrem Kunden, schadet aber erheblich ihrer Finanzkraft!
  • Ziehen Sie aus großen Terminabweichungen Ihre Schlüsse und motivieren Sie Ihren Kunden zur längeren Ausplanung!

3. Gehen Sie Mahnprozesse konsequent an

Sie können sicher sein, der am lautesten ruft, erhöht seine Chance, dass er doch Material bekommt.

  • Die Mahnprozesse müssen konsequent und kurzfristig durchgeführt werden.
  • Seien Sie unbequem gegenüber den Materiallieferanten!
  • Bestehen Sie auf die Einhaltung der Lieferzusagen!
  • Lassen Sie sich nicht abfinden mit den Aussagen „der Materialhersteller hat nicht geliefert“. Die Distribution muss auch ihre Verpflichtungen Ihnen gegenüber absichern.
  • Verlangen Sie die Prozessabsicherung zwischen Distributor und Materialhersteller!
  • Eskalieren Sie nachhaltig!

4. Streben Sie nachhaltige Versorgungskonzepte an

Alle qualifizierten Lieferanten sind an langfristigen stabilen Geschäftsbeziehungen interessiert. Diese Grundhaltung ist der Nährboden für eine strategische Geschäftsbeziehung, die auch in kritischen Liefersituationen besser funktioniert. Ich empfehle:

  • Kommunizieren Sie offen mit den Lieferanten!
  • Vermitteln Sie den Lieferanten ihre spezifischen Geschäftsbedingungen, -schwierigkeiten und Abläufe!
  • Suchen Sie gemeinsam Lösungsmöglichkeiten!

5. Vermeiden Sie verbrannte Erde zu hinterlassen

Die Nerven liegen blank, bei den Einkäufern genauso wie bei den Mitarbeitern der Distribution. Ich habe schwerwiegende Bedenken, wie die Schäden die auf der zwischenmenschlichen Ebene heute entstehen, in der nahen Zukunft wieder bereinigt werden können.

Trotzdem müssen wir uns bei aller Anspannung auch fragen, ob wir alle nicht auch einen Teil zu dieser kritischen Lage beigetragen haben.
Ich empfehle:

  • Vermeiden Sie verbrannte Erde zu hinterlassen! Auch wenn die Nerven blank liegen, bleiben Sie sachlich!
  • Überlegen Sie, was Sie zur Verbesserung der Situation beitragen können!
  • Die Probleme sind weiter gefasst als man im ersten Moment meint.

6. Ziehen Sie Ihre Schlüsse aus der Situation

Nur wer auch konsequent aus der Lage heute seine internen und extern Schlüsse zieht, wird in der Lage sein, eine Wiederholung zu vermeiden und sich für die Zukunft besser aufstellen. Unternehmen, die Sie in dieser Marktlage nicht fair behandeln, sollten Sie sich sehr genau merken.

  • Stellen Sie sicher, dass diese Unternehmen nicht mehr in Neuentwicklungen berücksichtigt werden.
  • Kommunizieren Sie offen und teilen Sie die Folgen mit!
  • Seien Sie konsequent, fangen Sie auch die Entwicklung in dieser Strategie ein!
  • Machen Sie die besseren und leistungsstärkeren Lieferanten zu Gewinnern und verabschieden Sie sich von den Lieferanten, die Ihre Zusagen nicht eingehalten haben.

7. Beharren Sie auf Vertragssicherung

In Zeiten wie diesen versuchen manche Lieferanten die sauberen kaufmännischen Regeln auszuhebeln, Verträge, Zusagen, Auftragsbestätigungen haben plötzlich keine Gültigkeit mehr. Wer das akzeptiert, öffnet die Tür für jegliche Art von Unkalkulierbarkeit. Daher rate ich:

  • Bestehen Sie auf die Einhaltung von Auftragsbestätigungen!
  • Jahrespreise haben auch in solchen Zeiten ihre Gültigkeit.
  • Machen Sie deutlich, dass auch Ihre Kalkulation und Planung auf diesen Zahlen aufbauen!
  • Vermitteln Sie den Lieferanten sehr deutlich, welche Konsequenzen Erpressungsversuche haben!
  • Suchen Sie gemeinsam eine „Win-Win-Lösung“!

Natürlich heißt Einkaufen auch Kämpfen, doch Kämpfen muss mit einem gehörigen Anteil Intelligenz verbunden sein. Sorgen Sie für Qualifikation im Einkauf, für die nötigen Werkzeuge und für ein gesundes Umfeld. Ein Umfeld bestimmt durch Ziele, Investitionsvolumen und ausreichend Zeit, um die Innovationen umzusetzen.

Eine Vertriebsdirektorin eines großen Halbleiterherstellers sagte mir letztens: „Ich hoffe das man sich nach der Allokation an meine Glaubwürdigkeit und meinen Einsatz erinnert.“ Ich kann es ihr nur wünschen, denn nur der Einkauf der am gesamten Leistungsbild arbeitet und ein stabiles Wertegerüst hat, wird nachhaltig erfolgreich sein.

Autor: Hubertus Andreae, dreiplus

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