Die 9 Erfolgsfaktoren der hiesigen Unternehmen
Wettbewerbsfähig produzieren am Standort Deutschland
Wer seine Arbeit richtig macht, kann in Deutschland wettbewerbsfähig produzieren. Die Voraussetzung sind 9 Faktoren, die durch harte kontinuierliche Arbeit gestaltet wurden und nachhaltig den Erfolg des Unternehmens stützen. Der Schlüssel dieses Erfolges ist nichts, was man ohne weiteres am Markt kaufen kann: Es ist eine sensible Verzahnung von Menschen, Arbeitsprozessen und einem positiven Geist im Unternehmen.
Hubertus Andreae*
In einer Zeit in der sehr viele Unternehmen ihre Produktion nach Osteuropa oder sogar Süd-Ost-Asien verlegen, werden oft die Unternehmer mitleidsvoll angesehen, die weiterhin in Deutschland produzieren. Sie werden belächelt nach dem Motto: „Zukunft verschlafen?“, „Wohl keinen Mut schwierige Entscheidungen zu treffen?“, „Noch so ein unverbesserlicher, unbelehrbarer Unternehmer!“, „Weiß doch jeder, in Deutschland heute noch zu produzieren, kann nicht erfolgreich sein!“
Der einzige erfolgreiche Weg: in Deutschland entwickeln, im Ausland produzieren. Diese generelle These wird oft genutzt und ist ebenso oft falsch. Die Rücklagerungsquoten die heute im Durchschnitt bei jedem 5. Projekt liegt, spricht eine eigene Sprache. Viele Unternehmen sind sehr wohl in der Lage auch heute in Deutschland, für Deutschland und die ganze Welt erfolgreich oder sogar erfolgreicher zu produzieren. Selbst in kritischsten Märkten beweisen Unternehmen, dass man mit deutscher Produktion und den hohe Löhnen und Kosten wettbewerbsfähig produzieren kann. Hier einige Beispiele:
-
Ein bekanntes Modeunternehmen, das wir alle aus der Werbung kennen, bekennt sich eindeutig zum deutschen Fertigungsstandort.
-
Ein Unternehmen der TV-Branche, baut in Deutschland sehr erfolgreich modernste innovative Geräte und das mit Ertrag und hoher Anerkennung.
-
Unternehmen der Kfz-Zulieferbranche, die ebenfalls trotz höchstem Preis- und Leistungsdruck der Kunden weiterhin in Deutschland erfolgreich produzieren können.
-
Auch Unternehmen aus der Sicherheitstechnik, Medizintechnik oder dem Maschinenbau treten diesen Beweis an.
Alle Unternehmen haben einige Gemeinsamkeiten: Sie produzieren für den weltweiten Markt. Sie sind nicht alleine am Markt und stehen unter Konkurrenzdruck. Sie produzieren erfolgreich in Deutschland. Sie erwirtschaften zufriedenstellende Erträge. Sie wachsen und investieren und das schon seit Jahren.
Gesamtheitliches Vorgehen und 9 Erfolgsfaktoren
Der Unterschied besteht in der Regel an dem gesamtheitlichen Vorgehen. Die immer wiederkehrenden 9 Erfolgsfaktoren dieser Unternehmen sind:
-
Die Unternehmer sind an einem langfristigen Erfolg interessiert und nicht an dem schnellen Euro. Die Unternehmer sind Fachleute (meist technisch orientiert) und holen sich für nicht technische Funktionen, die sie nicht so gut beherrschen, echte Fachleute ins Unternehmen. Sie sind weitsichtig und kreativ. Sie haben eine starke innere Bindung zum Unternehmen. Sie haben die Bodenhaftung nicht verloren. Sie haben die Größe und Kraft, das Unternehmen immer wieder neu auf den Prüfstand zu stellen, um die notwendigen Veränderungen zu fördern.
-
Die Mitarbeiter werden eng in den Erfolg eingebunden. Sie binden Mitarbeiter durch Überzeugung, einer gewissen Fürsorge und durch die Chancen der Weiterentwicklung fest ans Unternehmen. Es wird der Grundsatz gelebt „die Mitarbeiter sind der wichtigste Bestandteil des Unternehmens“. Man versucht durch ein faires „Nehmen und Geben“ eine Ausgewogenheit herzustellen.
-
Das Unternehmenskonzept wird nicht ständig umgeworfen, aber man ist wandlungsfähig. Man passt sich den dynamischen Märkten an. Man erkennt, dass man nach neuen Lösungen suchen muss, um die Kunden auch in Zukunft für das Unternehmen, für die Dienstleistung, für die Produkte zu begeistern.
-
Die Produkte sind leistungsstark. Ingenieure haben ihr langjähriges Wissen und ihre Kreativität in den Produkten abgebildet. Nicht selten sind in den letzten 200 Jahren beste technische Lösungen dem Geist deutscher Ingenieure entsprungen. Leider mangelt es nur viel zu oft an einer überzeugenden Vermarktung und innovativen Gesamtprozessen.
-
Die Prozesse im Unternehmen entwickeln sich kontinuierlich weiter. Mit Prozessen sind alle technischen und nicht technischen Arbeitsprozesse gemeint. Die Unternehmen haben frühzeitig erkannt, dass eine leistungsstarke Produktionsmaschine nicht mehr ausreicht. Alle übergreifenden Prozesse, z.B. Supply Chain Management (SCM) oder Simultaneous Engineering, werden gut koordiniert und beeinflussen sich direkt gegenseitig. Kennzahlen und Regelkreise unterstützen diese Prozesse. Bei der hohen Dynamik vieler Einflussgrößen eines Unternehmens, ist diese Vorgehensweise heute wichtiger denn je.
-
Die Strukturen sind flach. Dadurch haben alle Mitarbeiter einen hohen Verantwortungsgrad aber auch eine große Entscheidungsfreiheit die sie täglich in den Arbeitsprozessen einsetzen.
-
Der Einkauf ist weit davon entfernt, nur eine Beschaffungsabteilung zu sein. Der Einkauf gestaltet mit hohem Knowhow die Materialwirtschaft. Prozesse zwischen Kunden, Produzenten und Lieferanten werden dynamisch abgebildet. Der Einkäufer hat sich zum Prozess- und EDV-Experten sowie zum Unternehmer weiterentwickelt. Es stehen viele Leistungsmerkmale im Fokus und nicht „nur“ wie früher der Liefertermin. Die Leistungsstärke des Einkaufs stellt ein wichtiges Standbein des Unternehmenserfolges dar.
-
Die Produktion ist hochklassig strukturiert und hat eine gute Mischung aus Automatisierung und manuellen Prozessen. Die Maschinen sind modern und leistungsstark, so wie sie überall auf der Welt stehen könnten. Man beherrscht auch Grenztechnologien verbunden mit ausgefallenen Produktionslösungen. Das sind Leistungsmerkmale die man so ohne weiteres nicht überall auf der Welt bekommt, getragen von Maschinen und menschlicher Befähigung.
-
Die ERP-Systeme sind das Fundament des Unternehmens. Sie sind in allen Unternehmensprozessen die Bindeglieder und entlasten mit ihren Möglichkeiten die Mitarbeiter. Sie verschaffen den Mitarbeitern Zeit: Anstatt einfache Tätigkeiten umzusetzen, können sie konzentrierter die komplexen Vorgänge erledigen. Damit wird sparsam mit den vorhandenen Ressourcen umgegangen – gerade die Ressourcen, die in Deutschland teuer und oft nicht vorhanden sind.
Jeder dieser 9 Punkte wurde durch harte kontinuierliche Arbeit aufgebaut und stützt nachhaltig den Erfolg dieser hiesigen Unternehmen mit einer Produktion in Deutschland. Der Schlüssel dieses Erfolges ist nicht was man sich so ohne weiteres am Markt kaufen kann, so wie eine Investition in eine Maschine. Es ist eine sensible Verzahnung von Menschen, Arbeitsprozessen und einen positiven Geist im Unternehmen. Schwer zu kopieren, eigentlich nur langfristig aufzubauen und sehr pflegebedürftig.
Um in Deutschland auch zukünftig erfolgreich produzieren zu können, müssen wir wichtige Punkte mehr als bisher in den Mittelpunkt stellen:
-
Mitarbeiterqualifizierung, Mitarbeiterführung, Mitarbeiterförderung.
-
Bereichsübergreifende Prozessverzahnung und Prozesskoordination (SCM-SE-Team).
-
Schnelligkeit und Zuverlässigkeit unseres Handelns kann erheblich die Vorteile des regionalen Standortes unterstreichen.
-
Technische und nicht technische Qualität müssen als Markenzeichen „Made in Germany“ wieder stärker zum Einsatz kommen.
-
Innovation und die Fähigkeit zur Veränderung können helfen, verlorene Positionen wieder zu erlangen und möglicherweise sogar auszubauen.
Gute und faire Leistung wird mit Kundentreue belohnt
Zum Schluss ist der Faktor echte Kundenorientierung zu nennen. Der Anspruch, die Bedürfnisse der Kunden zu erfahren, sie in das Unternehmen, in die Produkte mit einzubinden und die Bereitschaft sich ständig daran messen zu lassen. Kunden werden, wenn sie von einem Unternehmen und von den Produkten begeistert sind, sich nicht von diesem Unternehmen abwenden. Nicht einmal dann, wenn es nicht zu den billigsten gehört. Ich glaube, dass die Kunden langsam merken, dass wir uns die „Geiz ist Geil“-Mentalität bald nicht mehr leisten können. Gute und faire Leistung wird auch heute noch oder sogar mehr denn je mit Kundentreue belohnt. Man hat es satt,
-
schlechten Service zu erleiden,
-
Lieferuntreue ausgesetzt zu sein,
-
auf Ersatzteile lange warten zu müssen,
-
auf das zu verzichten, was man mit „Made in Germany“ gewohnt war. Zwar etwas teurer aber den Erwartungen entsprechend gut.
Verlagerung ist nicht immer richtig
Viele Beispiele zeigen, dass die unkritische globale Verlagerungstaktik sehr schnell auf einen falschen Weg führt. Zu oft werden voreilige Entscheidungen getroffen, die einer echten Gesamtbetrachtung nicht standhalten würden. Nur diese Gesamtbetrachtung d.h. des gesamten Prozess-, Kosten- und Leistungsbildes stellen sicher, dass Entscheidungen richtig waren.
Mehr und mehr wird aufgrund fehlenden Knowhows und dem hohen Druck des Kurzfristerfolges zu wenig fundiert entschieden. Man setzt eher auf allgemeine Trends aufgesetzt nach dem Motto „was so viele tun muss gut sein“. Doch es kann falsch gewesen sein: Rückverlagerungen, Patentverletzungen und Plagiate, Qualitäts- und Kosteneinbrüche sprechen ihre eigene Sprache. Um das Gesicht nicht zu verlieren, werden andere Ursachen vorgeschoben. Man nimmt nur wahr, dass Unternehmen ihre Produktion verlagert haben, aber nicht die späteren Folgen: Eine später eintretende Kostenschieflage oder einen Rückgang der Wettbewerbsstärke bringt man nicht mehr mit der Verlagerung in Verbindung.
Natürlich kann der Markt die Ursache sein, aber nicht immer. Die Ursachen sind vielmehr oft gestörte Prozesse und die fehlende Erkenntnis der Unternehmen, dass die Gesamtprozessfähigkeit aller Prozesse der Schlüssel zum Erfolg ist. Nicht nur das Produkt und die Fertigungsmaschinen – alles muss mit hoher Prozessqualität gemanagt werden. Genau hier liegt der Ursprung vieler Probleme, die das Unternehmen wirtschaftlich schwächen und die Kundenzufriedenheit beeinträchtigen können. Unternehmen, die ihre übergreifenden Gesamtprozesse nicht im Griff haben, werden mit verlagerten Produktionen oder anderen verlagerten Tätigkeiten noch zusätzliche Probleme bekommen. Ausgelagerte Tätigkeiten und Produktionen sind auf Grund der zunehmenden Schnittstellen noch schwieriger zu handhaben. Die dadurch noch stärker auftretenden Störungen sind in der Regel auch spürbar für die Kunden: Qualitätseinbrüche, Lieferuntreue, reduzierte Servicequalität.
*Hubertus Andreae optimiert Prozesse in den nicht produzierenden Unternehmensbereichen wie Materialwirtschaft, Vertrieb und Controlling bei OEMs und EMS-Providern und führt zu diesem Thema Seminare veranstaltet vom FED durch.
dreiplus Tel. +49(0)30 84417913
Redakteur: Claudia Mallok
ELEKTRONIKPRAXIS NR. 13 – 3. Juli 2008
Vielen Dank. Sie erhalten einen Download-Link per E-Mail.