Die Auswirkungen von EuP auf den Einkauf

Was kaufe ich mir ökologisch ein?

Von Dr. Constantin Herrmann, PE Europe GmbH, und Hubertus Andreae, dreiplus

Die umweltgerechte Produktgestaltung, kurz Ecodesign, hat Auswirkungen auf den gesamten Produktent­stehungsprozess. Sie wirkt sich sogar auf den Einkauf aus, da die Verwendung von umweltgerechten Komponenten einen wesentlichen Beitrag zum positiven Umweltprofil des Endproduktes leistet. Dadurch ergeben sich Wettbewerbsvorteile und Einsparpotentiale in der Gesamtkostenbetrachtung.

Einleitung

Zum Thema Umwelt und umweltgerechtes Handeln legen die Brüsseler EU-Direktiven WEEE, RoHS und neuerdings EuP die Schwerpunkte für die Elek­tro- und Elektronikindustrie fest. Sie bestimmen den Handlungsbedarf der betroffenen Akteure jetzt und zukünftig. Mittlerweile haben viele Firmen die WEEE und RoHS umgesetzt. Aus der EuP-Direk­tive Anforderungen an die umweltgerechte Gestal­tung energiebetriebener Produkte vom Juli 2005 ergibt sich jedoch eine neue Dimension der umwelt­gerechten Produktgestaltung.

Die FED-Geschäftsstelle hat sich aufgrund der Informations- und Stoffmenge entschlossen, ein neues Ganztagsseminar mit dem Titel Der Weg zur erfolgreichen Einführung des Ecodesign einzurich­ten und anzubieten. Interessierte Firmen können sich so rechtzeitig informieren. Aus dem gesamten Umfang des Seminars behandelt der folgende Arti­kel einen Aspekt der durch Ecodesign hervorgeru­fenen neuen Situation des Einkaufs.

Ecodesign

Das Thema Umweltgerechte Produkte fängt mit dem Design eines Produktes an, so zum Beispiel der Auswahl von Materialien und Technologien. Die umweltbedingten Auswirkungen durch Produkte können jedoch während des gesamten Lebenszyk­lus stattfinden. So erzeugt beispielsweise die Her­stellung eines Produktes im Idealfall einmalig Um­weltwirkungen, wohingegen die Nutzungsphase über Jahre Strom, Öl oder Gas verbraucht. Herstel­ler müssen nun Antworten geben können, wie sich u.a. dieses Verhältnis zwischen Herstellung und Nutzung für welche Umweltaspekte darstellt – und beispielsweise wie viel Mehraufwand in der Her­stellung erzeugt wie viel Reduktion in der Nutzung oder Entsorgung.

Ecodesign soll diese Umwelteffekte über den Le­benszyklus quantitativ darstellen mit dem Ziel, Aspekte mit dem größten Verbesserungspotential zu minimieren. Wichtig hierbei ist, dass jeder Akteur der Wertschöpfungskette seinen Stellenwert im Lebenszyklus und seine Auswirkungen auf die Eigenschaften des Produktes über den Lebenszyklus kennt. Nur dadurch ist ein Ist-Stand ermittelbar und können Energieverbrauch und andere Umwelt­einflüsse effizient vermindert werden.

Betrachtet man aus Sicht eines Akteurs innerhalb der Wertschöpfungskette die Beiträge, aus denen sich das ökologische Profil eines Produktes zusam­mensetzt, müssen immer mehrere Aspekte einbezo­gen werden:

  • Menge oder Gewicht eingesetzter Wertstoffe oder Werte (Materialien, Energien)
  • Art und Qualität der Herstellung dieser Werte
  • Direkte Umwelteffekte am Standort, z.B. Emis­sionen, Abfälle
  • Transportaufwendungen

Fragen zum Ecodesign können aus Sicht der jewei­ligen Verantwortlichen sein:

  • Entwickler:

o Welche Materialien und Komponenten setze ich ein/wähle ich aus?

o Welche Funktionen und Eigenschaften soll mein Produkt haben?

  • Prozessverantwortliche: Wie viel Energie und welche Hilfsstoffe braucht meine Herstellung?

o Wie viel Energie und welche Hilfsstoffe braucht meine Herstellung?

o Was emittiere ich am Standort?

o Wo ist die Produktion geplant?

  • Einkauf

o Welches Umweltprofil bringt meine benötigte Komponente mit?

o Welche Beschaffungskonzepte erzeugen das notwenige Umweltprofil?

o Sind Materialbeistellungen noch zweckmäßig?

  • Marketing/Vertrieb:

o Wie ist das Umweltprofil unseres Verkaufpro­duktes inklusive unserer Vorketten und wel­chen Einfluss hat es auf den Lebenszyklus, z.B. wie wird der Energieverbrauch in der Nut­zung beeinflusst?

Beitrag zum Ecodesign aus Sicht des Einkaufs

Das Anforderungsprofil des Einkaufs ändert sich in großen Schritten. Ursprünglich war der Einkauf eine Beschaffungseinheit eines Produktionsunter­nehmens mit dem Anspruch, Materialpreise mit zu verhandeln. Heute stellt sich das anders dar. Der Einkauf wird durch straffes kostenbezogenes Materialmanagement (target costing) mehr und mehr zum „winningfactor“ eines Unternehmens. Er hat somit den Erfolg oder Misserfolg eines Pro­duktes maßgeblich in der Hand. Materialanteile von 65 – 80 % machen das deutlich. Das ist aber noch nicht das Ende. Er wird mehr und mehr zum Prozessexperten für unterschiedliche Aufgaben. Materialflussoptimierung, logistische Prozesse und Outsourcing sind einige Beispiele, die die neuen Anforderungen widerspiegeln. Damit aber noch nicht genug. Notwenige Prozessmaßnahmen aus den Aktivitäten GS, Altautoverordnung, RoHS und WEEE haben weitere Änderungen in den Einkaufs­prozessen eingeleitet. Mit Ecodesign kommt eine weitere neue Aufgabenstellung auf den Einkauf zu. Der Einkauf ist längst zum Prozessmanager einer umfassenden Supply Chain (Lieferkette) geworden. Preis und Menge sind nur noch eine kleine – nicht zu verstehen als unwichtige – Aufgabenstellung für den Einkauf. Aber was bedeutet nun Ecodesign für den Einkauf?

Legt der Entwickler in Zusammenarbeit mit einem SE-Team (fachbereichsübergreifendes Entwick­lungsprojektteam) das Produktdesign fest, muss der Einkauf aufgrund der aktuellen Gesetzgebung einige neue Aspekte berücksichtigen und neue Informationen einholen. Hier wäre beispielsweise die Recyclingfähigkeit für WEEE-Kriterien zu nennen oder Materialgehalte, um RoHS-Konfor­mität nachzuweisen. Im Sinne von Ecodesign und EuP-Fragestellungen kommt nun das ökologische Profil aller Einkaufsposten als weiterer Informa­tionsbedarf hinzu. Kann als Beispiel der Entwick­ler zwischen einem Aluminium-Druckgussgehäuse oder einem Kunststoff-Spritzgussgehäuse für sein Produkt wählen, ist anstelle des Preises zum Bei­spiel Cadmium in Farbpigmenten des Kunststoff­gehäuses oberhalb der RoHS-Konformität natürlich ein härteres Entscheidungskriterium. Sollte dage­gen Konformität für beide Alternativen sicher­gestellt sein, kann nun neben dem Preis auch ein günstigeres Umweltprofil ausschlaggebend sein. Ähnliche Überlegungen sind auf Leiterplattenebene identisch anzuwenden, beispielsweise Auswahl von elektronischen Bauteilen, Loten und anderen Kom­ponenten oder Entscheidung über Leiterplatten-Finishings und Lacke.

Der Einkauf sollte hier in enger Zusammenarbeit mit den Entwicklern, den Prozessverantwortli­chen und dem SE-Team klären, welche Stoffe und Energien in welchen Mengen mit welchen Umwelt­profilen verbunden sind und wie sich Änderungen und die Wahl von Alternativen auch ökologisch auf das eigene Produktprofil auswirken. Dies kann bei endgültiger Festlegung auf Materialien, Komponen­ten, Hilfsstoffe oder Energien auch im Detail weiter verfolgt werden, so dass entsprechende Lieferanten­informationen (falls vorhanden) als weiteres Krite­rium in die Auswahl einbezogen werden.

Zum einen können Umfang und Art der mitgelie­ferten Information als Qualitätsmerkmal des Lie­feranten dienen (Bekommt man ein Umweltprofil vom Lieferanten und falls ja, in welcher Qualität?). Zum anderen kann natürlich auch die Höhe der angegebenen Umweltwirkungen eine Entscheidung für oder gegen ein Zukaufteil oder eine Beschaf­fungsregion sein.

Motiviert wird wiederum das Kriterium Umwelt­information dadurch, dass günstige, also in der Umweltwirkung niedrige Einkäufe, im eigenen Umweltprofil der erzeugten Produkte ebenfalls als niedrig weitergegeben werden können. Der eigene Kunde kann somit wiederum ebenfalls von der Ent­scheidung des Haus-internen Einkaufs profitieren.

Warum soll man sich nun auch noch damit befassen?

Wie schon die RoHS kann auch Ecodesign eine Chance für prozesssichere Unternehmen bedeu­ten. Die RoHS hat bei den Unternehmen, die sich schon frühzeitig mit der Überleitung beschäftig haben, Wettbewerbsvorteile erzeugt. Endlich wur­den überfällige Altlagerbestände verschrottet, Pro­zesse angepasst, die einen Wiederaufbau von zu hohen Lagerbeständen zukünftig verhindern helfen.

Diese Maßnahmen schlagen sich schnell auf redu­zierte Abgabepreise nieder. Wer auch Ecodesign ernst nimmt, wird ähnliche Wettbewerbsvorteile erreichen: Unterscheidungskriterien gegenüber dem Wettbewerb durch das Produktdesign, durch die Umweltverträglichkeit und durch Kosten. Die Gesamtkostenbetrachtung tritt verstärkt in den Mittelpunkt. Kleiner aber wichtiger Nebeneffekt ist der Ausbau der Fähigkeit eines wirksamen Sup­ply Chain-Managements, das heute noch in vielen Unternehmen fehlt. Auch das kann ein wirkungs­voller Kompensator des Lohnkostennachteils am Fertigungsstandort Deutschland sein. Man muss es nur tun.

Hubertus Andreae optimiert Prozesse in den nicht produzierenden Unternehmensbereichen wie Material­wirtschaft, Vertrieb und Controlling bei OEMs und EMS-Providern und führt zu diesem Thema Seminare veranstaltet vom FED durch.

dreiplus Tel. +49(0)30 84417913

PRODUKTION VON LEITERPLATTEN UND SYSTEMEN 5 / 2006

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