Elektronikfertigung in Deutschland hat Zukunft

Rückblick auf den 10. Würzburger EMS-Tag (2012)

Vom mittlerweile zehnten Branchentreffen der Elektronikfertiger in Würzburg geht eine positive Botschaft aus:
Der Standort Deutschland hat eine klare Berechtigung – sofern dessen Vorteile und Chancen konsequent genutzt werden.

In diesen heißen EM-Tagen laufen Journalisten die Analogien zum Fußball sehr schnell aus der Feder. Tatsächlich ist es aber so, wenn man Hubertus Andreae, Chef des Berliner Beratungsunternehmens dreiplus, wörtlich nimmt, dass der Standort Deutschland keineswegs ein Abstiegskandidat ist, sondern vielmehr zum Titelaspiranten taugt – wenn er sich konsequent auf seine Stärken besinnt.

„Der deutsche Standort hat eine klare Berechtigung“, betonte Andreae in seinem Referat vor Geschäftsführern und Praktikern aus dem EMS-Sektor (Electronic Manufacturing Services): „Man kann in Deutschland erfolgreich produzieren.“

Aus seiner Sicht wird für die Zukunft der Faktor der regionalen Fertigung für regionale Märkte, also der geographischen Nähe zwischen Auftragnehmer und Kunde, immer wichtiger. Dem Kostenvorteil der Asiaten stünden aufgrund der großen geographischen Entfernung auch eine Reihe von Unwägbarkeiten und Risiken gegenüber, so zum Beispiel Transportwege, Währungsrisiken, Ungewissheiten hinsichtlich der politischen Stabilität, Sprach- und kulturelle Barrieren, Kostensteigerungen sowie offene Fragen in Bezug auf die Reaktionsfähigkeit der Betriebe und der Qualifikation ihrer Mitarbeiter.

Als einen Schlüssel zum Erfolg deutscher Fertiger machte Andreae die Liefertreue aus. Deshalb komme es darauf an, auch die Verantwortlichkeiten für die Liefertreue klar zu benennen. Der Berater erzählte von einem Unternehmen, bei dem er mit dem Geschäftsführer, dem Fertigungsleiter, dem Einkaufsleiter und dem Vertriebschef gesprochen habe. Keiner von den Managern habe sich aber konkret für den Punkt der Liefertreue verantwortlich gefühlt und die Verantwortung beim jeweils anderen abgeladen.

Andreae stellte daher fest: „Wenn wir uns nicht alle für die Liefertreue verantwortlich fühlen, kommt Murks raus“ und schloss daraus: „Liefertreue ist ein Chefthema.“

Natürlich, so Andreae weiter, pokern die Einkäufer von Kundenunternehmen bei Preisverhandlungen, das sei gerade deren Aufgabe. Für den Berliner kommt es jedoch darauf an, dem die Stärken der deutschen Elektronikfertiger – so zum Beispiel die Prozesstärke – konsequent gegenüberzustellen. Genauso wichtig sei es, die Schwächen herauszufinden. So müsse der Vertrieb nachfassen, wenn ein Angebot nicht zu einem Auftrag geführt habe. Insgesamt, so plädierte der Berater, müssen man auch den Vertrieb stärken. Dort komme es auf unternehmerische Köpfe an, nicht auf bloße Verwalter.

Schadensmanagement: Harte Probe für die Beziehung zwischen Auftraggeber und -nehmer

Über das Schadensmanagement im Verhältnis zwischen Kunde und Auftragnehmer ließ sich der Qualitätsmanager Peter Bleif aus, der sich mit seinem Unternehmen ING QC unter anderem auf Gutachten in Schadensfällen spezialisiert hat. Aus seiner Sicht geht es beim Schadensmanagement vor allem darum, Schäden, die durch Qualitätsprobleme entstanden sind, nicht eskalieren zu lassen. Denn im ungünstigsten Fall können Unternehmen durch Schadensfälle in eine rechtliche und finanzielle Schieflage geraten, die, gekoppelt mit dem Imageverlust, zu einer existenziellen Bedrohung für den Betrieb werden kann.

So ein Schadensfall stelle zwar die Beziehung zwischen Fertiger und Kunde auf eine harte Probe – es kann aber durchaus dazu führen, dass man nach gemeinsam durchstandener Krise sogar noch ein besseres Verhältnis zueinander habe. Die Voraussetzungen dafür seien vor allem Soft-Skills wie Empathie, interkulturelle und Sprachkompetenz, Konfliktfähigkeiten, Verhandlungsgeschick, rhetorische Kompetenz und ein gutes Stück Menschenkenntnis. Das Fehlen solcher Skills könne dazu führen, dass der Schadensfall eskaliere. Darüber hinaus riet Bleif, einen solchen Schadensfall immer zur Chefsache zu machen.

Der Berliner Berater Hubertus Andreae hat tiefgreifende Erfahrung sowohl in der OEM- als auch in der EMS-Branche. Seit über 8 Jahren berät er als unabhängiger Experte für Prozessoptimierungen mittelständische Unternehmen in der deutschen Elektronikindustrie.

Autor: Hubertus Andreae, dreiplus

Redakteur: Franz Graser

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