Mit einem an der Prozesskette orientierten Auftragsmanagement lassen sich kurzfristig Umsätze einfahren

Warnmeldungen der EMS-Anieter an ihre Auftraggeber weiter als 4 bis 6 Wochen zu planen, werden vielfach ignoriert. Der Grund: Die Lieferzeiten sind über die gesamte Kette gestiegen und weitaus größer als vor dem Abschwung. Die Tragik: Nennenswerte Umsätze, die alle dringend benötigen, lassen sich in 2009 nicht mehr realisieren.

In Zeiten wie heute kann man Umsätze realisieren, die mit dem üblichen Auftragsmanagement verloren gegangen wären. Allerdings bedarf es eines anderen Prozessansatzes und einem tiefer gehenden Verständnisses für Marktmechanismen. Dieser Ansatz ist ein Teil des Supply Chain Managements der gerne unbeachtet bleibt. Das ist besonders negativ in Zeiten, in denen kurzfristige Umsätze einen noch höheren Stellenwert haben als sonst üblich.

In Krisenzeiten fehlen nicht nur Aufträge, sondern Aufträge werden in einem größeren Umfang sowohl positiv wie auch negativ geändert. Auftragsvolumen stürzen ab – Termine werden verschoben – Auftragsvolumen werden reduziert oder sogar storniert. Diese Szenarien spielten sich in der 2. Hälfte des Jahres 2008 ab.

Die Aufschwungphase (nach meiner Einschätzung hat sie seit Juni begonnen) ist allerdings ähnlich kritisch. Die Auftragspipeline ist leer – Langfristaufträge sind nicht vorhanden. Jeder Teilnehmer der Lieferkette ist verunsichert und hat sich auf die kritische Zeit eingestellt:

  • OEM: Es wird nur bestellt was tatsächlich als Auftrag vorhanden ist.
  • EMS: keine Produktionsplanung auf eigenes Risiko (man hat aus den Erfahrungen der Vergangenheit gelernt). Aber man hat auch Kapazitäten reduziert, Mitarbeiter abgebaut und Kurzarbeit eingeleitet
  • Bauteilelieferanten: Lager, Mitarbeiter und Fertigungskapazitäten wurden reduziert, Fertigungsstätten wurden geschlossen.

Alle diese Rahmenbedingungen beeinflussen umfangreich die Lieferfähigkeit innerhalb der Lieferkette, vom Rohmaterial über die Baugruppen bis hin zum Fertigprodukt. Die Lieferzeiten werden länger.

Die lang erwartete bessere Wirtschaftslage wird nun zur kritischen Situation. Der erste Auftragsanstieg, wird im Keim erstickt. Umsätze die alle Beteiligten gerade in diesem Jahr noch dringend benötigen, lassen sich nicht realisieren. Für das Ergebnis vieler Unternehmen ein unerträglicher Zustand.

Wie sich Umsatzsteigerungen in Krisenzeiten realisieren lassen

Das oberste Gebot ist: Ein Verständnis für die Prozesskette entwickeln. Die Beteiligten müssen gemeinsam an einen Tisch die folgenden Fragen beantworten:

  • Wie bereite ich mich auf den zukünftigen Auftragsanstieg vor?
  • Wie wird der Anstieg aussehen? Steil, kontinuierlich, wechselhaft, risikoreich?
  • Welche Methoden gibt es damit umzugehen?
  • Gibt es Prognosen, Auftragsindikation, Vorinformationen etc.? Wie kann man mit ihnen risikosensibel umgehen?
  • Wie bindet man diese ganzen Informationen in die Kette ein, z.B. ins Auftragsmanagement, in den Einkauf, in die Produktion?
  • Wie geht man mit langen Materiallieferzeiten um?
  • Was kann der Materiallieferant tun?
  • Welche Methoden und Tools haben wir, um diesen Rahmenbedingungen erfolgreich entgegen zu treten?

Ein wesentlicher Beitrag für den gemeinsamen Erfolg sind längere Planungsreichweiten, allerdings mit der notwendigen Flexibilität. Die Methoden dazu sind ganzheitlich festzulegen.

Das Ergebnis dieses Vorgehens: Man entwickelt mit den unterschiedlichen Parteien Lösungen, die helfen die kurzfristigen Aufträge zu realisieren. Angenehmer Nebeneffekt: die Lösung produziert in der Regel keine Zusatzkosten wie Eilzuschläge usw. Da alle Prozesse auf das Auftragsmanagement aufsetzen, ist genau hier der Erfolgsfaktor verborgen.

Die Realität im Markt sieht leider anders aus

Die Produzenten werden von ihren Kunden mit Kurzfristaufträgen konfrontiert, der Planungshorizont 4 bis 6 Wochen. Die Materiallieferzeiten gehen hoch. Materiallieferzeiten von 4 Wochen sind selten geworden, 4 bis 8 Wochen sind eher die Regel, Produktlieferzeiten von 8 Wochen plus X sind die Folge. Eskalationsprozesse nehmen zu; Preise spielen eine untergeordnete Rolle; Aufträge können nicht termingerecht beliefert werden. Viele Sonderaktivitäten mit einem unzureichenden Wirkungsgrad. Das Klima der Beteiligten ist angespannt.

Die traurige Erkenntnis zeigt, dass nicht die Krise für diesen aktuellen Zustand verantwortlich ist, sondern wir selbst. Wir ignorieren, dass was schon seit langem bei den Fachleuten bekannt ist. Wir ignorieren Prozessinformation, wir ignorieren Marktinformation, wir verschließen die Augen für Markt- und Prozesszusammenhänge.

Und was geschieht, wenn ein EMS seinen Kunden über verlängerte Materiallieferzeiten informiert? In der Regel zu wenig oder sogar nichts. Nach dem Motto wird schon irgendwie gut gehen. Das es nicht so gut geht, zeigt die aktuelle Marktlage. Der Auftragseingang steigt, der Mehraufwand ebenfalls und der Umsatz stagniert und dem EMS werden ungerechtfertigter weise Vorwürfe gemacht.

Verlängerte Beschaffungszeiten für Bauteile erfordern größeren Planungshorizont

Ich habe meinen produzierenden Kunden in der EMS- und OEM-Branche dringend geraten, ihre Kunden über die veränderte Marktlage zu informieren. Nicht nach dem Motto, her mit den Aufträgen sondern nach dem Motto, wir haben erschwerte Bedingungen verursacht durch verlängerte Materiallieferzeiten. Wir helfen Ihnen Ihre Umsatzziele noch in diesem Jahr zu erreichen, aber bitte planen sie weiter aus. Wir können die verlängerten Materiallieferzeiten nicht ignorieren.

Die Reaktionen waren ernüchternd. Nur selten verstanden die betroffen Beteiligten welche Chance sich mit diesen Informationen verband. In der Regel kam keine Reaktion, zumindest nach dem Kundenanschreiben. Einige Wochen später kam das böse Erwachen. Kurzfristbestellungen, erheblich verspätete Lieferungen, Ärger. Ärger mit erheblichen wirtschaftlichen Auswirkungen die hätte vermieden werden können.

Auch wenn die Auftragslage derzeit erfreulicher erscheint als noch vor wenigen Monaten, so ist noch nicht alles überstanden. Ich rechne fest mit einem Jahresendspurt der sich aber im 1. Quartal 2010 auf ein reduziertes Niveau abschwächen wird. Der Wirtschaftsaufschwung wird kommen, er wird sich fortsetzen aber in einem langsameren Verlauf als wir Ihn uns wünschen. Unternehmerische und kaufmännische Weitsicht heißt also, optimistisch in die Zukunft schauen und handeln mit der notwendigen Vorsicht. Die Betonung liegt auf Handeln und Vorsicht. Zur Zeit überwiegt allerdings die Vorsicht verbunden mit Lähmung.

Hubertus Andreae:
„Wir werden nur den Erfolg für uns verbuchen können, wenn wir am Gesamtprozess arbeiten. Jegliche Einseitigkeit – in diesem Fall das Ausblenden von Rahmenbedingungen – führt nicht zum Ziel.“

Autor: Hubertus Andreae
Redakteur: Claudia Mallok

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