Zeitarbeiter auf Managementebene
In einer dreiteiligen Beitragsreihe, in den Ausgaben 6, 9 und 12/2006, hat Prozessexperte Hubertus Andreae die Bedeutung von Prozessoptimierungen in den nicht technischen Bereichen neben der Elektronikfertigung veranschaulicht und viele Lösungen aufgezeigt. Die praxisorientierte Berichte haben einen guten Anklang gefunden und Unternehmen Mut gemacht, für erfolgreiches Produzieren in Deutschland. Grund genug den Branchenkenner und Zeitarbeiter auf Managementebene vorzustellen.
Womit beschäftigt sich dreiplus?
Hauptsächlich mit der Beseitigung von Prozessproblemen produzierender Unternehmen im Elektroniksektor. In der
Regel sind es EMS oder OEM, die an zu hohen Lagerbeständen leiden oder durch andere Prozessmängel ein Stück Wettbewerbsfähigkeit verloren haben.
Auf Ihrer Internetseite steht der Satz „Die Lösung eines Problems beginnt mit der Erkenntnis, dass man eines hat.“ Warum haben Sie dieses Motto gewählt?
Ich stelle immer wieder fest, dass manche Unternehmen sich ihrer Probleme nicht ausreichend bewusst sind und sie daher keine Maßnahmen zur Abstellung einleiten.
Wann kommen Unternehmen zu Ihnen?
In der Regel, wenn die wirtschaftlichen Zahlen sich zunehmend verschlechtern und man erkennt, dass umgehend gehandelt werden muss. Sie kommen leider oft sehr spät, das heißt erst dann, wenn das Kind schon fast in den Brunnen gefallen ist. Das kann heißen, wenn die Gesellschafter, Banken etc. Druck machen oder ihnen das Geld ausgeht.
Warum erst so spät?
Dafür gibt es wie so oft unterschiedliche Ursachen.
1. Man hat sich an die Prozessprobleme „gewöhnt“ und sieht somit keinen Handlungsbedarf. Man meint, 2 bis 4 Lagerumschläge im Jahr sind normal und stellen einen „guten“ Wert da. Oder die Liefertreue, die man seit Jahren hat, würde reichen, die Kunden in Deutschland zufrieden zu stellen. Betriebsblindheit hat um sich gegriffen, daher fehlen oft der kritische Blick und der Lösungsansatz für eine Verbesserung.
2. Die Unternehmer sind erstklassige Techniker, die die Wirkung und die Bedeutung der indirekten Prozesse unterschätzen. Die wirklich erfolgreichen Unternehmen machen das anders. Sie messen den kaufmännischen Prozessen dieselbe Bedeutung zu wie den technischen Prozessen, nach dem Motto „wer A sagt muss auch B sagen“.
3. Oft sind meine Kunden aber auch durch schlechte Erfahrungen, die sie mit externen so genannten Experten gemacht haben, so geprägt worden, dass sie es tunlichst vermeiden, solche Erfahrungen zu wiederholen. Es ist immer wieder sehr deutlich zu erkennen, dass der Praxisbezug zu allen Problemfindungen und Problemlösungen der Schlüssel zum Erfolg ist. Reines exzellentes theoretisches Wissen reicht in unserer komplexen Welt nicht mehr aus um die Wende zu schaffen.
Wie erklären Sie sich Ihre gute Resonanz?
In der Regel kennen meine Kunden meine berufliche Historie, die große Potenziale für sie mitbringt oder sie haben mich in Seminaren kennen gelernt. Ich arbeite nicht mit einem Abteilungsbild, sondern sehe den Gesamtzusammenhang für das Unternehmen.
Das restliche Vertrauen erarbeite ich mir innerhalb der ersten Gespräche und durch eine faire und offene Zusammenarbeit über das ganze Projekt hinweg. Meine Kunden bekommen meine Dienstleistung so, als ob mir das Unternehmen gehören würde oder ich in verantwortlicher Position angestellt wäre. Es kommt mir maßgeblich auf den echten, messbaren und nachhaltigen Erfolg meiner Kunden an.
Wie gehen Sie bei Ihrer Arbeit vor?
In der Regel mache ich nach einem Vorgespräch eine Unternehmensanalyse, die einen vollständigen umfassenden Bericht zur Folge hat. Allerdings erhalten meine Kunden hier ein zur handhabendes Informationspaket und werden nicht mit Ordnern erschlagen. Der Analysebericht zeigt die Ist-Situation des Unternehmens auf, einen Katalog an Optimierungen und ein Benchmark vieler Analysepunkte zum Durchschnitt des Marktes vergleichbarer Unternehmen. Ich erläutere den Bericht dann persönlich und stelle mich möglichen kritischen Fragen. Danach hat der Kunde selbst in der Hand, wo er bei seinem Optimierungsprozess ansetzen will. Sie sehen Beratung ist der falsche Begriff, daher zucke ich auch immer zusammen, wenn ich „Unternehmensberater“ genannt werde. Leider gibt es nicht den treffenden übergreifenden Begriff für jemanden wie mich, der Prozesse analysiert, Fehlermöglichkeiten sucht, individuelle Lösungen erarbeitet und sie in Abstimmung mit den Verantwortlichen umsetzt.
Abweichend von vielen so genannten Beratern suche ich die Lösung nicht darin die Kostenprobleme durch Mitarbeiterentlassung zu lösen. Meine Lösungen sehen in der Regel vor, Prozesse zu optimieren, frei werdende Kapazitäten dann für Wachstum, Controlling und vernachlässigte Prozesse zu nutzen. Als Beispiel: Preisverhandlungen werden oft aus Zeitmangel nicht professionell geführt. Wir müssen unsere Leistungsmerkmale verbessern und dadurch die Kostenlage optimieren. Wir müssen einfach in unseren ganzheitlichen Unternehmensabläufen wieder den Glanz des Begriffes „Made in Germany“ erreichen.
Wie geht es dann weiter?
Das ist genauso individuell wie die Probleme und die Lösungen. Die meisten Kunden benötigen weitere Betreuung. Ich arbeite zusammen mit den Schlüsselpersonen und oft mit einem internen Projektleiter an der Umsetzung der notwendigen Maßnahmen. Wir schaffen dabei Messgrößen und Tools die uns kontinuierlich Klarheit über den Fortschritt des Projektes verschaffen. Innerhalb des Prozesses sind selbstverständlich die Mitarbeiter eng eingebunden. Sie unterstützen mich meist sehr offen, da sie schnell merken welche Chance ich auch für sie biete.
Der Vorteil dieses Vorgehens ist, meine Kunden holen sich mit mir temporär fach- und branchenspezifisches Know-how ins Haus, sozusagen Zeitarbeiter auf Managementebene. Das ist kostengünstig und sehr effizient und entzieht den fest angestellten Mitarbeitern nicht die Verantwortung und ich stehe mit ihnen nicht im Wettbewerb. Im Gegenteil, die Mitarbeiter erhalten ein spezifisches Training in komplexen Prozessfragen und -lösungen das ihnen hilft zukünftig mit komplexen Prozessproblemen besser umzugehen. Sie sehen mich als Partner und nicht als Konkurrent. Oft gibt es über das Projekt hinaus noch längere Kontakte.
Wie sieht es mit der Vertraulichkeit aus?
Das ist eine feste und absolute Basis meiner Arbeit. Meine Kunden können sicher sein, dass alle internen Informationen vertraulich behandelt werden. Meine Kunden schätzen das, und fragen mich in der Regel auch nicht über ihre Wettbewerber aus, denn sie wollen ja auch nicht, dass ich über ihre Probleme berichte.
Was ist Ihre Motivation im ständigen Kampf mit Problemen?
Ich möchte mit meiner Arbeit natürlich mich selber ernähren und meinen persönlichen Erfolg haben. Mich reizt das Lösen von Problemen und die Arbeit mit Menschen und Organisationen. Eine weitere Motivation ist es, den Fertigungsstandort Deutschland nicht kampflos aufzugeben. Dass es für die vielen individuellen Probleme des produzierenden Mittelstandes, besonders der EMS und OEM, Lösungen gibt, weiß ich aus meiner langjährigen Berufserfahrung. Wenn man die Prozessoptimierungen innerhalb der Einkaufprozesse, der Produktplanungsprozesse oder der gesamten SCM mit derselben Konsequenz vorantreibt, wie die technischen Lösungen in der Produktion, dann ist mir nicht bange um den deutschen Mittelstand. Das schöne an diesen Optimierungsprojekten ist, dass das Investment für solch ein Innovationsprojekt wesentlich geringer ist, als für den Kauf einer SMD-Linie. Die Effekte allerdings gehen weit darüber hinaus.
Das einzige was anders ist, ist die Dauer der Umsetzung. Eine SMD-Linie ist schnell gekauft, vorausgesetzt man hat das Geld dafür, und nach kurzer Einarbeitung läuft sie und verdient ihr Geld, aber verliert auch an Wert. Bei meiner Arbeit streckt sich der Zeitraum bis zu nachhaltigen Effekten in die Länge, oft 6 bis 12 Monate, da Altlasten z.B. in Lager- und Bestellbeständen zeitaufwändig eliminiert werden müssen. Aber die Kosten die durch so ein Projekt entstehen, sind bei weitem geringer als beim Maschineninvestment. Die Lösungen, die dann allerdings zum Tragen kommen, haben einen größeren Ertragshebel und verlieren nicht an Wert, eher umgekehrt sie gewinnen noch an Wert. Denn wer einmal den Lösungsweg verstanden hat, wird ihn nicht mehr verlassen. Optimierungen werden irgendwann ohne mich weiter getrieben und helfen kontinuierlich bei der Wettbewerbsoptimierung.
Welche Rolle spielt der FED in Ihrem Unternehmenskonzept?
Ich schätze die Flexibilität und die Neutralität des FED. Seine technischen Seminare sind weit bekannt und er gewinnt zunehmend an Ansehen auch bei nicht technischen Seminaren. Sie sind gebündelt in der Seminarrubrik Management und liefern kostengünstig Leistungen, die der Mittelstand benötigt. Dort halten diverse Experten und auch ich praxisorientierte Seminare zu den aufgeführten Problemen.
Wie sehen sie die Zukunft für Ihr Unternehmen und den OEM und EMS in Deutschland?
Es wird mehr und mehr erkannt, dass diese Prozesssensibilität für Deutschland ein Schlüsselfaktor des Erfolges ist. Nur wer hier konsequent und anhaltend Optimierungen umsetzt, kann und wird bestehen. Der Mittelstand kann hier viel schneller reagieren als die Großunternehmen, obwohl er eine kleinere Personaldecke hat. Um diese dünne Personaldecke zu kompensieren und die sprichwörtliche Flexibilität des Mittelstandes besser nutzen zu können, wird man zunehmend auf Fachleute, die sich auf diesen Spezialgebieten auskennen, zurückgreifen. Man wird stärker als heute Zeitarbeiter auf Managementebene einsetzen um temporär die Personalengpässe auszugleichen. Das Ganze hat natürlich einen enormen Dominoeffekt. Mit jeder Problemlösung bei einem Kunden entwickelt man neue Konzepte. Die Auswirkung von Betriebsblindheit meiner Kunden innerhalb ihrer Unternehmen, wird durch meine Arbeit bei ihnen reduziert.
Ich glaube an die Zukunft meiner Kunden und automatisch also auch an meine Zukunft. Den einzigen Unsicherheitsfaktor den ich sehe, ist die Bereitschaft von Unternehmen endlich am ganzen Prozessbild zu arbeiten und nicht nur die Technik in den Mittelpunkt zu stellen. Denn nur am ganzen Bild zu arbeiten sichert den Erfolg für die Zukunft.
Impulsgeber für Optimierungen
In einer dreiteiligen Beitragsreihe, erschienen in Ausgabe 6, 9 und 12/2006, hat Hubertus Andreae Optimierungspotenziale in Elektronik produzierenden Unternehmen aufgezeigt. Behandelt wurden die Prozesse bei der Auswahl eines Baugruppenproduzenten (EMS), die Prozesse der Zusammenarbeit zwischen EMS und OEM und die Kostenauswirkungen von Prozessen.
Dabei lag das Augenmerk auf den indirekten Prozessen, da deren Auswirkungen, anders als bei den Produktionsprozessen, oft unterschätzt werden. Hinzu kommt, dass gerade in den nicht produktiven Prozessen, die höheren Lohn- und Gehaltskosten anfallen und die höheren Risiken bei Prozessproblemen in der Materialwirtschaft wirken.
Obwohl nur einige Fallbeispiele von vielen Störgrößen in den Unternehmen behandelt werden konnten, geben diese Beispiele Anregungen für Optimierungen im Unternehmen. Dabei ist deutlich geworden, dass Kosten- und Ertragsprobleme in Deutschland nicht zwingend gegeben sind und man durch sensibles Prozessdenken und -handeln in einem Hochlohnland erfolgreich produzieren.
Der Fachverband FED hat zu diesem speziellen Thema seit Jahresbeginn 2006 Managementseminare aufgesetzt. In diesen Veranstaltungen gehen die erfahrenen Experten tiefer auf diese Themenkreise ein und schildern und erläutern praxisbezogene Lösungen. Zudem bieten die Seminare die Möglichkeit zum Gedanken- und Wissensaustausch.
Hubertus Andreae war in seiner langjährigen Tätigkeit bei Bosch und Motorola u.a. projektverantwortlich für eine umfassende Projektverlagerung bei einem EMS. Er wechselte später ins Management eines Auftragsfertigers und optimiert heute Prozesse in Materialwirtschaft, Controlling und Vertrieb bei OEMs und EMS-Providern.
dreiplus Tel. +49(0)30 84417913
Redakteur: Claudia Mallok
ELEKTRONIKPRAXIS NR. 13 – 7. Juli 2006
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